Eisendorf Kreis Neumarkt

Schon deutlicher und an Einzelheiten erinnere ich mich an unsere Eisendorfer Zeit (1942 - 1944). Als mein Vater einberufen war, holten uns meine Großeltern zu sich nach Eisendorf Krs. Neumarkt in Schlesien. Meine Großeltern hatten in Eisendorf 1936 die Gastwirtschaft "Zur Reichsautobahn" mit Landwirtschaft gepachtet. Eisendorf im schlesischen Flachland, ein Dorf mit etwas über 200 Einwohnern. Man hatte im Nu die wenigen Einwohner im Kopf, Niepold, den Bürgermeister (ehrenamtlich), Hermstein, den Maschinisten im Rittergut, Frau Nicke, die Schneiderin, den Klein-Schmied oder Herrn und Frau Freudenreich, die kinderreichen.

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Meine Großeltern hatten zwei Ostarbeiter zugewiesen bekommen, eine Polin Luci, meine Großmutter sprach den Namen immer "Lutze" (auf die erste Silbe betont) aus und einen Ukrainer, Metro. Besonders an die Polin kann ich mich gut erinnern, sie hatte den Mund voller Goldzähne, immer eine Sackschürze um, war sehr fleißig und ordentlich. Sie wurde von meiner Großmutter, die gewiß strenge Normen hatte, immer sehr gelobt. Sie war außerdem sehr kinderlieb und wir, meine Schwester und ich, mochten sie auch. Zu Weihnachten schmückte sie unseren Christbaum mit aufgedrieselter weißer Schnur. Es sah aus, als wenn der Baum vollgeschneit war (Bild rechts, da bin ich mit Luci und Metro an der Reichsautobahn, bis dahin reichten die Felder der Großeltern).

Als meine Großeltern dann im Februar 1945, am 8. Februar erschienen die Russen auf der Autobahn, vor den Russen flüchteten, wollte Luci unbedingt mit, da sie sehr viel Angst vor den Russen hatte. Das war aber nicht erlaubt. Andernorts sind die Ostarbeiter mitgetreckt. Da gab es offenbar keine einheitlichen Vorschriften. Wie wir heute wissen, hat die "Befreier"-Soldateska der Roten Armee bei ihren Vergewaltigungsorgien auch die Polinnen nicht verschont. Wie die Befreier in der schlesischen Ebene gehaust haben, ist nachzulesen: http://home.arcor.de/eulengebirge/ unter Helena Hillmann.

Unsere Nachbarn in Eisendorf war ein Herr und Frau Freudenreich. Er hatte im ersten Weltkrieg ein Bein verloren und deshalb ein richtiges Holzbein, mit einem runden Stumpf am Ende. Er saß gern vor seinem Haus in der Sonne. Wie ich später erfuhr, haben die Russen beim Einmarsch Herrn Freudenreich erschossen, er wollte die Vergewaltigung seiner Frau verhindern. Er war der erste tote Zivilist in Eisendorf. Die verheerende Besetzung Eisendorfs durch die Russen ist geschildert unter Hildegard Sauer in http://home.arcor.de/eulengebirge/

Alliierte Bombenangriffe auf Breslau sind mir auch noch in Erinnerung, so kam eines Abends ein Dorfbewohner in die Gaststube und sagte zu meiner Großmutter: "Bertel, kim amol `raus!" Wir gingen alle mit und sahen die Bomberschwärme und auch die "Christbäume" über Breslau.
Zu Weihnachten bekam ich ein Dreirad. Es blieb dann in Eisendorf und hat, hoffentlich, ein polnisches Kind erfreut.

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Am 6. September 1941 heiraten in Eisendorf, Standesamt Dromsdorf, Onkel Hans und Tante Friedel. Er war für mich immer das Vorbild. Der Kleinste auf dem Foto bin ich.
Gasthof zur Reichsautobahn, mit Landwirtschaft, rechts geht es zur Autobahn und nach Lohnig (Bahnstation), links nach Ober-Mois
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Großmuttel als Gastwirtin in Eisendorf, 1941, sie ist da 48 Jahre alt
Vater, etwa 1943, in Norwegen, nach Ostfront (Kalmückensteppe), wird er 1944 in Litauen bei sowj. Fliegerangriff verwundet.

 

Die Felder, die zum Gehöft gehörten, grenzten an die Reichsautobahn. Ich fuhr, wenn die Großeltern mich mitnahmen, mit meinem Dreirad auf der Autobahn. Verkehr war zu dieser Zeit auf der Autobahn ohnehin nicht. Das Bild links, unten, wurde von meinem Onkel, Helmut Neumann, 1941, in der Nähe von Eisendorf von der Reichsautobahn gemacht. Er mußte schon warten, bis mal ein Auto gefahren kam, der Krieg hatte ja längst begonnen. Später, wie gesagt, konnte ich gefahrlos mit meinem Dreirad auf der Autobahn fahren.

Noch eine Episode: Meine Großeltern besaßen ein Kleinkaliber-Gewehr, ein Tesching . Soweit ich mich erinnere, benutzte es nur meine Großmutter, die damit recht erfolgreich Spatzen vom Dach herunterschoß .

autobahn41 Der zur Gastwirtschaft gehörige Saal im 1. Stock wurde von den Behörden requiriert. Ich erinnere mich, dass dann alle möglichen Dinge dort eingelagert wurden: Gasmasken, Decken, Gummischläuche usw.. Mein Großvater wurde zum Volkssturm eingezogen und mußte Schützengräben ausheben.
Neben den Ostarbeitern, waren auch französische Kriegsgefangene in Eisendorf zur Arbeit eingesetzt. So weiß ich noch, daß sie in der großväterlichen Gastwirtschaft nach Feierabend an der Theke standen. Was man da trank weiß ich nicht mehr, jedoch waren die Brauereien noch tätig, denn es gab für uns Kinder Malzbier zu trinken.

Wie mir Herr Klein, von der Eisendorfer Klein-Schmiede berichtete, war ein Nebengebäude der Klein-Schmiede als Gefangegenunterkunft herzurichten. So wurden Betten besorgt und notdürftig Gitter vor den Fenstern angebracht. Die erste Zeit war ein Soldat der Wehrmacht für die Bewachung abkommadiert. Der wurde aber dann zur Front geschickt. So hatte der Klein-Schmied die Schlüsselgewalt bekommen. Er wurde dann abends manchmal von den Franzosen daran erinnert, daß er doch nun abschließen müsse.

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