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"Ich denke
oft an Piroschka" - der Roman, 1954 von Hugo Hartung geschrieben, wurde
1955 unter der Regie von Kurt Hoffmann mit Liselotte Pulver verfilmt.
Den Ort hat es mit diesem langen Namen nur im Roman und Film gegeben.
Diese kleine Bahnstation an der Strecke von
Hódmezövásárhely nach Orosháza ist
zwar der originale Handlungsort von Roman und Film, aber nicht der
Drehort des Films, der im damaligen Jugoslawien liegt. Die Bahnstation,
1968 aufgenommen, gehört jetzt zum Ort Sékkutas. Was an dem
Roman Dichtung und was Wahrheit ist, darüber streiten die
Gelehrten. Auf jeden Fall gibt es in Sékkutas ein
Piroschka-Museum. Die folgende kleine Geschichte ist aber wahr: Die Schülerin eines Gymnasiums in der Bundesrepublik Deutschland, sie hieß Liane, hatte den Piroschka-Film gesehen und war begeistert. Sie wollte gern mit einem Gymnasiasten aus der ungarischen Gegend in Verbindung treten. Den Ort mit dem langen Namen gab es auf keiner Landkarte, nur Hódmezövásárhely. Also schrieb sie einfach eine Karte an das Gymnasium von Hódmezövásárhely mit der Bitte, die Karte einem Schüler in ihrem Alter auszuhändigen, der Deutsch lernt und mit ihr Briefe tauschen möchte. Gemeldet hat sich der Sohn unserer Wirtin, Kmoskó András, genannt Bandi. Als wir im August 1967 dort eintrafen, war das Mädchen Liane aus Westdeutschland gerade zu Besuch. Leider gab es kein happy end, die Verbindung brach irgendwann ab, vielleicht waren auch die politischen Verhältnisse Schuld. |
Die
ungarische Küche ist berühmt und wir haben diesen Ruhm als
berechtigt anerkannt. Was sie, nach heutigen
ernährungswissenschaftlichen Erkenntnissen nicht ist, besonders
gesund. Hier trifft der Spruch zu, was besonders gut schmeckt, ist
meist nicht so gesund! Insbesondere mit dem Fett, als
Geschmacksträger, haben es die Ungarn, am liebsten nehmen sie
Schweinefett, das man im Lebensmittelladen in großen Packungen
bekommt. Die beiden Speisekarten (unten) sagen auch etwas über die Entwertung des Forint von 1969 bis 2012 aus. Eine kleine Rechnung: Durchschnittspreis 1969 - rund 21 Forint/Portion, 2012 - rund 2390 Forint/Portion. Das ist das 114-fache! Dabei ist die unterschiedliche Preisklasse des Hotels zur Csárda nicht berücksichtigt, sonst wäre es noch mehr! Durch die segensreiche Gewerkschaft haben wir ja in Deutschland auch die Preisspirale, auf Lohnerhöhung folgt Preiserhöhung. Aber, Gott sei Dank, ist es in der o. g. Zeitspanne eine Entwertung "nur" um das 4 bis 5-fache gewesen. Die Speisekarte von 2012 hat mir Familie Brandt vom Urlaub 2012 aus Ungarn mitgebracht. Erfreulich, dass die deutsche Sprache noch die wichtigste Fremdsprache in Ungarn ist. Das war mal im gesamten ost- und südosteuropäischen Raum so. Heute dominiert zunehmend das Englische. |
Speisekarte (Étlap) von 1969, des ersten Hauses am Platz in Szeged, Hotel Tisza |
Speisekarte von 2012, eines Lokals (Cárda) am Plattensee |
Speisekarte von 1968, Hotel "BÉKE" in Hódmezövásárhely |
Ein weiteres interessantes Zeitdokument: Die Speisekarte des ersten Hauses
in Vásáehely, Hotel und Speisegaststätte
"Béke" (Frieden) vom 24. November 1968,
Geschäftsführerin war damals Frau Fazekas und
Preisverantwortliche Frau Benkö. |
Betriebskantine im Porzellanwerk Selbstverständlich durften wir ausländischen Monteure am finanziell gestützten Betriebessen im Porzellanwerk teilnehmen. Es gab ein reichhaltiges, qualitativ hochwertiges Essen, viel besser, als in mancher Betriebskantine zu Hause. Jeder holte sich selbst sein Essen an der Ausgabe ab. Man nahm dazu die bereitstehenden Utensilien, Tablett, Papierserviette, Brot, Zahnstocher, Trinkglas ging zur Ausgabe und konnte dort meist unter mehreren Varianten wählen. Es gab auch immer eine Vorsuppe zum Hauptgericht. Die Ungarn essen reichlich Fleisch. Als Tribut an die gesunder Ernährung, war ein Tag in der Woche fleischfrei. Das bezog sich aber nur auf das Hauptgericht, dafür war an diesem Tag in der Vorsuppe reichlich Fleisch! Zahlreiche Gerichte waren uns bis dato fremd aber wir haben uns gut daran gewöhnt, mit wenigen Ausnahmen. So gibt es "Mohnnudeln" (Mákos metélt) noch heute bei uns. Auch für Paprika Kartoffeln (Paprikas krumpli) und Pörkölt u. a. haben wir die Rezepte mitgebracht und wenden sie an. |
Ű Ü ű ü Ő Ö ő ö Ű Ü ű ü Die Umlaute mit den Strichen werden lang und die mit den Punkten lkurz gesprochen. Dadurch wird das im Deutschen zur Dehnung eingesetzte Dehnungs- "h" nicht gebraucht, ebenfall nicht gebraucht wird die Buchstabenverdopplung. Das >ä<, wie im Deutschen, kennen die Ungarn nicht. Ähnlich ist es mit den Vokalen, ohne Umlaut. Mit Strich über dem Vokal = lang, ohne Strich = kurz. Hinzuzufügen ist noch, dass sich nicht nur die Länge, sondern auch die Aussprache der Vokale etwas anders ist: Á A á a É E é e Í I í i Ó O ó o Ú U ú u.
Noch ein paar Erinnerungen an Sprachkonstruktionen, die wir von Ungarn, die es mit Deutsch versuchten, gehört haben.
Der Sohn unserer Wirtin, Péter Kmoskó, sagte zu Christine: "Sie gefallen alles Mann."
Unsere Wirtin sprach von ihrem verstorbenen Mann: "Als mein Mann getoten hat." Auch sagte sie, "Der Sommer ist alle."
Unter uns
deutschen Kollegen, von denen kaum einer
Hódmezövásárhely richtig aussprechen konnte,
wurde der Ort salopp "Hottehüh" genannt.
Ungarische Volksbräuche |
Dieser
Brauch wird einmal im Jahr, und zwar am Ostermontag praktiziert. Wir
haben das noch miterlebt, allerdings etwas anders, als diese
schönen Regiebilder zeigen. Im Alföld wurde keine Volkstracht
getragen und auch waren die Wasserbehälter nicht so reichhaltig. Die
jungen Männer bespritzten die Mädchen aus Flaschen, die mit
Duftwasser gefüllt waren und die vor Ostern überall zum Kauf
angeboten wurden. Den jungen Männern, die von Haus zu Haus zogen,
wurde für die Tat Schnaps (Pálinka) eingeschenkt. Das
Ergebnis war, am Ostermontag Abend war die Hälfte der Männer
betrunken. Uns war einer davon in Szentes mit dem Fahrrad ins
Auto gefahren. (Fotos: Internet Holloko-deger) |
In Ungarn wird gern und hingebungsvoll gestickt, mit großem Geschick und viel, viel Geduld. Die
beiden Beipiele, oben, zeigen auch, daß sich die Art und Farben
der Stickerei nach der Region unterscheiden. Die zarten Farben der
Stickerei von Hódmezövásárhely
kontrastieren zu den kräftigen Farben der Stickerei von Kolocsa.
Tischdecken, Wandbehänge und Servietten werden so verziert. Nicht
selten wird vor eine schwierigen Operation dem Arzt so eine Stickerei
geschenkt. Eine andere Art Stickerei zeigt das untere Bild, in Vásárhely aufgenommen. Sie erinnert an Plauener Spitzen. (Bilder oben: Dél-Magyar, unten D. Brandt) |
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Verhältnis zu Arbeitskollegen, Wirtsleuten und Nachbarn |
Eines
kann gleich vorab gesagt werden, die Ungarn sind sehr gesellig,
gastfreundlich, kinderlieb und neigen manchmal etwas zur
Unorganisiertheit. Wir Deutschen wollen alles immer durchorganisieren,
sporadische Besuche mögen wir nicht. In Ungarn haben wir sehr oft
das Gegenteil erlebt: Der unerwartete Gast ist immer willkommen. Ist
auch die Arbeit noch so dringend, sie wird beiseite gelegt und man
widmet sich dem Gast. Das Verhältnis zu unseren Wirtsleuten und
Nachbarn war herzlich bis familiär. |
Der Sohn unserer Nachbarn, Antal, hatte schnell mit Holm, trotz des Altersunterschiedes, Freundschaft gechlossen. |
Mit Unserer Wirtin, Juliska, ihrem Sohn Peter und Antal haben wir einen Ausflug nach Mártély unternommen |
Mit
unserer Nachbarin, Helene, ihrem Sohn Antal, sind wir in Szeged
eingekehrt. Die Gaststätte hatte einen originellen Eingang. |
Unsere zweite Wirtin, auch Julischka néni, war ganz vernarrt in Holm. In Ungarn ist es üblich, ältere Bekannte, auch Vorgesetzte, mit Onkel = básci und Tante = néni anzureden. |
Diese
Idylle gibt es vermutlich im heutigen Ungarn auch nicht mehr. Der
Barbier, Gyula bácsi, kam ins Haus, um Jóska básci
zu rasieren. Holm betrachtet die Prozedur mit Interesse. |
Jóska bácsi, unser zweiter Wirt, hat seine Mütze Holm aufgesetzt. Herr und Frau Pável hatten einen Garten mit Wein am Haus und fütterten ein Schwein. |
Familienfeiern
fanden oft gemeinsam mit den Wirtsleuten und deren Verwandten statt.
Hier hat die Tochter meines Arbeitskollegen, Detlev Brandt, Geburtstag, zweite von links. |
Margot Brandt mit Wirtsleuten und Töchtern (Foto links und Mitte D. Brandt) |
Péter Kmoskó gibt dem handbetriebenem Karussel den nötigen Schwung. |
Holm mit seiner Spielkameradin, Görgyike, Tochter des Uhrmachers im Nachbarhaus |
Alltag
in unserem Quartier in der Deák-Ferenc-utca, v. l. Holm auf dem
Dreirad, Györgyike, Christine, Júliska néni |
Sand übt doch, geschlechtsübergreifend, immer eine Anziehungskraft auf Kinder aus, Györgyike und Holm |
Schweinschlachten (Diszno Vágás) in Ungarn |
Beim häuslichen Schweineschlachten gibt es wesentliche Unterschiede zwischen Deutschland und Ungarn. Der Hauptunterschied: Die
Ungarn essen kein rohes Fleisch, wir in Deutschland (Gehacktes, Mett)
schon. Roh gegessenes Fleisch muß auf Trichinen untersucht
werden, in Deutschland Vorschrift. Weiterhin verwenden wir ja das Blut
für Blutwurst, die es in Ungarn nicht gibt. So wird in Ungarn das Schwein nicht betäubt, sondern seine Kehle durchstochen und das Blut läßt man weglaufen. Das arme Schwein verblutet regelrecht und stöß dabei stöhnende Laute aus, die man in einiger Entfernung noch hört. Bei uns in Deutschland wird das getötete Schwein in heißem Wasser gebrüht um mit speziellen Schabern die Haare von der Haut zu entfernen. Die Ungarn machen das mit einer Propangasflamme. Eine zweite Person kratzt dann, meist mit einer Schaufel, den Rest der versengten Haare ab. Nach dieser Prozedur sieht das arme Vieh oft wie verkohlt aus, ganz schwarz. Aus meiner Kindheit kenne ich das bei uns noch, es wurde immer von einem gelernten Fleischer geschlachtet, der in sauberer Berufsbekleidung erschien. Am Abend vorher holten wir Kinder im Leiterwagen die Werkzeuge und Geräte beim Fleischer ab, natürlich ohne Bolzenschußgerät, mit dem das Schwein betäubt wurde. Das brachte der Fleische am nächsten Tag persönlich mit. |
Schweinschlachten im Winter 1968/69 bei den Pávels, unseren Wirtsleuten in Vásárhely |
An
der "Schlachttechnologie", wie beschrieben in Ungarn scheint sich bis
heute nichts geändert zu haben, wie diese aktuellen Bilder aus dem
Internet beweisen. (Fotos: Internet) |
Hier ist das arme Schwein unserer Wirtsleute schon recht angekohlt. |
Ungarische Musik |
Die
ungarische Musik ist wirklich etwas Besonderes! Auf dem Bild sehen wir
das in den 1960er Jahren berühmteste Zigeuner-Orchester Ungarns:
Lokatos Sándor. Von der klassischen ungarischen Musik von Liszt,
Erkel und Bartók
abgesehen, waren Zigeuner-Orchester die Hauptakteure bei der typischen
ungarischen Musik, die von der Volksmusik nicht zu trennen ist.
Zu unserer Zeit in Ungarn war auf einem der beiden ungarischen Radiosender bestimmt ungarische Volksmusik zu hören. Jedes
bessere Restaurant in Ungarn, auch unser Béke in
Vásárhely beschäftigte ein Zigeuner-Orchester.
Keiner konnte so spielen, wie die Zigeuner - sie sind, was die Musik
anbelangt eindeutig Kulturträger in Ungarn, was man von Zigeunern
in anderen Ländern nicht unbedingt sagen kann. Ein Zigeuner kann seine Geige weinen und lachen lassen, wie es so schön in der Operette heißt. Heute ist es in Ungarn, wie überall, der Sieg des Rhythmus über die Melodie - die Rock-, Pop und elektronischen Bands haben die g u t e Musik verdrängt. Die ungarische Musik, vom Orchester Lokatos gespielt ist ein Kunstgenuß, jedenfalls für mich. Auch bekannte ausländische Komponisten waren der Faszination ungarischer Musik erlegen und haben in diesem Stile komponiert. Ich erinnere an die wunderschönen ungarischen Tänze von Johannes Brahms. |
Der einzige Zigeuner, dem Ungarn ein Denkmal gesetzt hat, ist ein Geiger gewesen: Dankó Pista. Es steht in Szeged. |
Kesselgulasch (bogrács gulyás) |
Bei
uns ist im Freien das Grillen üblich, bei den Ungarn wird
Kesselgulasch gekocht. An einem Dreibock oder einer Art Galgen
hängt der Kessel und gefeuert wird mit zusammengesuchtem Holz. Kesselgulasch ist ja unserem Sinne kein Gulasch, sondern eine Kartoffelsuppe mit viel Fleisch. Das kann Rind-, Hammel- oder Schweinefleisch sein. |
Eine Familie bereitet ihr Mittagsmal an der Theiß bei Mártély, wie beschrieben. |
Hier
geht es kommerziell zu, der Kessel wird auch mal zur Bereitung von
Pörkelt, was unserem Gulasch enspricht, verwendet. Hier in einer
Gaststätte in Szeged, 1967. |
Diese Lösung im Wohnungsbau sahen wir in Nodungarn, 1968 |
Thermalbäder
gibt es in vielen ungarischen Städten. Das Land ist mit
Bodenschätzen nicht gerade üppig gesegnet, das reichlich
sprudelnde Thermalwasser entschädigt dafür etwas. In Vásárhely kommt das Termalwasser mit 49 ° C aus der Erde und wird in einem massiven Bassin gesammelt. Über den eingebauten Überlauf gelangt es in die Badebecken, wovon es 3 gibt: Ein Planschbecken, ein Nichtschwimmer- und ein Schwimmerbecken. In regelmäßigen Abständen wird das Wasser abgelassen, die Innenflächen geschrubbt und wieder gefüllt. Auch während des Füllens dürfen die Becken benutzt werden. Im Frühjahr und Herbst ist es angenehm, mit dem Rücken im flachen warmen Wasser zu liegen und die Vorderseite von der Sonne bescheinen zu lassen. Das Bad ist auch im Winter geöffnet, dank des warmen Wassers auch benutzbar. Bei Minusgraden oder kaltem Wind sollte man eine Badekappe aufsetzen. Ein über´s Geländer gehängter Bademantel ist u. U. eisekalt und es empfiehlt sich, diesen in einem beheizten Raum abzulegen. Das Planschbecken ist im Winter eingehaust und dadurch angenehm warm. Unter dem Quell-Bassin Überlauf ist ein begehrter Aufenthaltsort, man läßt sich das sehr warme Wasser über den Rücken laufen, es soll gut zur Bekämpfung von Rheuma sein. Wir haben das Bad gern und oft benutzt. Die obige Beschreibung trifft auf das heutige Bad nicht mehr zu, da es vollkommen umgebaut wurde, wie ich beim Besuch 2007 festgestellt habe. |