Magdeburg 1961 - 1970
Zahlreiche Kollegen suchten sich eine andere Stelle in Leipzig, das war ja damals nicht so schwierig. Einige gingen versuchsweise mit nach Magdeburg, andere hatte sich damit abgefunden, nach Magdeburg umzuziehen. Es waren nicht einmal 20 Kollegen, die in Magdeburg dann als "die Leipziger" bezeichnet wurden.
Hier sind sie: Heinz Schwarz, Siegfried Hempel (nur für 3 Monate), Günter Neumärker, Alfons Hörle, Alfred Walter, Rudolf Röhlig, Günter Fischer, Paul Stelzer, Heinz Storch, Margot Müller, Hans Schwarz, Ralf Diekmann, Rudolf Fabel, Hanno Sengewald, Horst Priebe, Günter Wolff, Günter Lange und Wolfgang Leistritz. Die Produktionsarbeiter (heute "die Gewerblichen"), einschließlich Meister und Poliere wurden natürlich geschlossen übernommen.
Ich wollte das Gewerk Feuerfestbau, in dem ich mich schon ganz leidlich eingearbeitet hatte, nicht verlassen und ging auch mit. Dazu kam noch, daß Spezialbau Leipzig und Spezialbau Magdeburg mit der Ingenieurschule für Hüttentechnik, Unterwellenborn bei Saalfeld/Thür. eine Vereinbarung für ein Sonder- Fernstudiumstudium abgeschlossen hatte. Es war für Bauingenieure, die im Feuerfestbau tätig waren. Wir bekamen die Chance, einen zweiten Ingeniertitel für Industrieofenbau zu erwerben. Die vielen neuen beruflichen Erfahrungen bekamen das theoretische Gerüst. Ein sehr interessantes Studium, zumal die gesamten allgemeinbildenden Fächer, die wir ja schon auf der Bauschule gehört hatten, entfielen. Die Kosten, einschließlich Reisekosten, wurden von den Firmen getragen. Ich wollte auf Wärme- und Strömungslehre, physikalische Chemie, feuerfeste Baustoffe, BMSR-Technik, Ofen- und Schornsteinbau nicht verzichten.
Magdeburg, Karl-Marx-Straße (heißt heute wieder, wie Jahrhunderte vorher, Breiter Weg) 224 bei Schulz war jetzt, zumindest für jeweils die halbe Woche, mein neues Zuhause. Ich wohnte mit meinem Kollegen und Freund, Hanno Sengewald, zusammen. Er war auch Bauleiter im Keramischen Ofenbau und stammte aus Braunichswalde in Ostthüringen.
Ein Häuflein von nicht einmal 20 Kollegen geht von Leipzig nach Magdeburg | |
Einige unserer neuen Kollegen und Mitarbeiter, links Polier Werner Schulze, genannt Stiefel-Schulze, ein sehr guter Fachmann! Neben ihm steht Rudi Blume, Polier. |
Das Verwaltungsgebäude in Magdeburg, eine ehemalige Bank, war schon imposanter, als die Baracken in Leipzig. Außerdem lag es direkt am Bahnhof. |
Im VEB Spezialbau Magdeburg mußten wir Leipziger uns erst an neue Strukturen gewöhnen, so trohnte über allem die Vaterfigur des Betriebsdirektors, Hermann Erdwig (wie die Magdeburger sagten "Männe Erdwig"). Er war der große Förderer von Täve Schur, der mal im Betrieb als Technischer Zeichner gearbeitet hatte. Dadurch war Kollege Erdwig Mitglied im Präsidium des Radsportverbandes der DDR. Was aber am wichtigsten war, er hatte einen persönlichen Draht zum Minister für Bauwesen, Junker (der dann zu Wendezeiten seinem Leben ein Ende setzte).
Kollege Erdwig war allgemein beliebt, grüßte den Pförtner früh mit Handschlag und hatte immer freundliche Worte für alle. Für die bösen Worte hatte er seinen Technischen Direktor, Gerhard Fanger, der hinter seinem Rücken nur "Der Schräge" genannt wurde, wegen einer Rückgratverkrümmung. Erstaunlicherweise war Gerhard Fanger nicht Genosse, also nicht SED-Mitglied. Das war für DDR-Verhältnisse ungewöhnlich.
Der Spezialbau Magdeburg hatte den Ruf, immer seine staatlichen Planziele zu erreichen, was dem Spezialbau Leipzig meist nicht gelang. Wir kamen bald dahinter, wie das funktionierte. Die Gehälter der Magdeburger Kollegen waren niedriger, als unsere Leipziger, dafür bekamen sie 3x im Jahr eine saftige Quartalsprämie, die für einen Bauleiter, der sich vor allem in den Augen des Technischen Direktors nichts hatte zu Schulden kommen lassen, so etwa 600 Mark betrug; Rekordprämie für einen Oberbauleiter: 1500 Mark. Da gab es auch keine steuerlichen Abzüge mehr. Es war also mitunter mehr, als das Monatsgehalt! Da hat man bei der Abrechnung (im Feuerungsbau gab es da mehr Möglichkeiten, als im übrigen Bauwesen) schon mal seiner Fantasie freien Raum gelassen. Überhaupt gingen wir beim Spezialbau Magdeburg, später beim Spezialbaukombinat, durch eine Schule, die uns die Schwächen des Sozialistischen Wirtschaftssystems überdeutlich erkennen ließ. Das ganze System Dr. Günter Mittag war komplett auf Lug und Trug aufgebaut! Dazu ein, in ökonomischen Dingen naiver SED-Generalsekretär: Uns regierten in der DDR Raffinesse und Dummheit zugleich, sehr zu unser aller Schaden!
In Magdeburg wurde wieder streng spezialisiert, d. h. ich mußte meine Schornsteinbaustellen wieder abgeben und in unserem Bereich "Keramischer Ofenbau" wurden auch nur Öfen für die Grob- und Feinkeramik gebaut.
Drei Monate war noch mein Leipziger Oberbauleiter, Siegfried Hempel, mit in Magdeburg, aber auch eine Quartalsprämie von 1500 Mark konnte ihn nicht umstimmen, er ging zurück nach Leipzig. So hatten wir dann ab April einen neuen Oberbauleiter, Horst Wilke, der aber der Aufgabe nicht gewachsen war und kommissarisch durch Bruno Kreil ersetzt wurde. Bruno hatte aber schon den Bereich Gas- und Chemischer Ofenbau. So übernahm dann Ralf Diekmann unseren Bereich, ein Kollege, den ich und auch andere Kollegen, sehr schätzten. Ein ruhiger, intelligenter und sehr gerechter Chef.