Leipzig 1978 - 1989
Auch die nächsten Jahre sind nicht durch Eintönigkeit gekennzeichnet und bringen manche Überraschung. Mein Vater feiert am 24. Februar 1978 seinen siebzigsten Geburtstag. Die DDR hatte den innerdeutschen Reiseverkehr, zögernd zwar, aber immerhin, auch in die Westrichtung etwas geöffnet. Rentner konnten ihre Verwandten besuchen und seit kurzem durften auch jüngere DDR-Bürger zu ihren Verwandten, ersten Grades (Eltern, Kinder, Geschwister) bei runden Geburtstagen, Hochzeiten und Sterbefällen, fahren. So machte ich mich, natürlich ohne Frau, mit meiner Schwester per Zug auf den Weg nach Hamm/Westfalen. Ich hatte westliche Gefilde seit Juni 1961 nicht mehr betreten. Das waren schon Eindrücke, die man da gewann! Unter solchen privilegierten Reisenden kursierte ein Witz: Wann warst Du im Westen? Vor einer Woche? Nun, da bist Du ja auch noch beim Augenarzt in Behandlung!
Ein auch privilegierter Kollege (Wilbert Bolduan), der von seiner ersten Westreise zurückkam, meinte, das ganze Gerede, im Westen schmeckt das Bier besser, fahren die Züge ruhiger und sind die Wiesen grüner - das stimmt ja wirklich!
Kurze Zeit später war ich noch zu einem vierwöchigen Montageeinsatz in Belgien. Das war aber meine letzte dienstliche Reise ins NSW (nichtsozialistisches Wirtschaftsgebiet). Private und dienstliche Reisen ins NSW waren nach Meinung der DDR-Sicherheitsleute (Stasi) nicht vertretbar. Belgien war bei mir noch die Ausnahme, da sie keinen Ersatzmann hatten.
Das nächste Mal durften wir dann 1983, zum 75. Geburtstag fahren und dann, ab dem "75." zu jedem weiteren Geburtstag. Die Aufregungen, die mit so einer Reise verbunden waren, sind Legion. Als erstes mußte der Westverwandte eine beglaubigte Urkunde seiner persönliche Daten herschicken. Diese gab man mit dem Reiseantrag (mit einer Zustimmung des Betriebes), mindestens 4 Wochen vor Reisebeginn, bei der Polizei ab. Meist erst einen Tag vor der Reise, bekam man Bescheid. Den Paß (!) bekam man aber erst, wenn man seinen Wehrpaß beim Wehrkreiskommando, gegen Quittung hinterlegt hatte. Da mußte man auch wieder Glück mit den Öffnungszeiten haben. Dann waren die Fahrkarten zu kaufen, Geld zu tauschen (20 Mark, 1:1), Geschenke zu besorgen, die Verwandten zu verständigen (Telefongespräche nach dem Westen hatten Wartezeiten, privat hatte man kein Telefon). Die einzige Umschreibung für dieses alles: Schikane!
Die Eisenbahnfahrt ging dann über Magdeburg, Oebisfelde, Wolfsburg, Hannover, Hamm.
Nun hatte man mal Gelegenheit, diese gigantischen Grenzanlagen vom Zug aus zu betrachten, deren einziger Zweck es war, zu verhindern, daß jemand illegal von Ost nach West gelangen konnte. In Wolfsburg hielt der Zug das erste Mal im Westen, über die Lautsprecher kam die Durchsage: "Herzlich willkommen in der Bundesrepublik Deutschland." Eine gewisse Rührung überkam uns DDR-Bürger natürlich dabei. Ein Bundesbürger, oder Jetztmensch kann diese Rührung vielleicht nicht verstehen. Wir glaubten noch an ein einheitliches Vaterland, was irgendwann, der politischen Logik zum Trotz, doch kommen würde. Enttäuschend waren dann manche Gespräche im Westen. Da waren viele, die eine Wiedervereinigung als dummes Gerede abtaten oder uns im Osten als halbe Russen ansahen. Ein Kollege, ein gestandener Baumensch, der auch das erste Mal im Westen war, in Köln, erzählte mir, daß er beim Anblick des Domes, sich auf eine Bank setzte und heulte, wie ein Schloßhund.......
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Die Geschwister, Edith und Wolfgang, in
Dortmund, 1983 |
Das politische Leben in der Bundesrepublik interessierte uns natürlich sehr - besonders das, was so ganz anders war, als in der DDR. |
Antwerpen mit der Schelde, welcher DDR-Bürger
hatte das schon gesehen? |
Bei unserem Einzug in das mit eigener Kraft ausgebaute Siedlungshaus, 1970, wurde der Strom noch über Freileitung an die Häuser herangeführt und die wenigsten Siedlerstellen hatten Anschluß an das Entwässerungsnetz. So fanden sich Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre ein paar aktive Leute aus der Siedlung zusammen, um hier Verbesserungen zu bewirken. Es gelang die Stadt zu gewinnen und so wurde, unter der Losung "Masseninitiative der Bevölkerung" ein Initiativ-Vorhaben gestartet. Die Stadt besorgte das Material und die Siedler stellten ihre Arbeitskraft zur Verfügung. Im Ergebnis, Ende 1982, hatten alle Siedler Anschluß an die Entwässerung, Erdkabel für Strom (manche bekamen Drehstrom, was in der DDR nicht selbstverständlich war) und eine neue Wasserleitung, Durchmesser 100 mm (vorher 2,5 Zoll). Leider mußte unsere Straße mit Beton geschlossen werden, da Bitumen nicht zu bekommen war. Das war nicht fachgerecht.
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Horst Fechner übernahm die Bauleitung unseres Initiativ-Vorhabens als nebenberufliche Aufgabe, reich wurde man dabei nicht aber die ganze Freizeit ging drauf und die Gesundheit auch noch. Die Siedlung ist ihm sehr zu Dank verpflichtet. Er lebt nicht mehr. |
Vater und Sohn beim Initiativ-Vorhaben, Sommer 1982, im Vordergrund eine Kade Tochter. Unsere Siedlung legt Entwässerungsleitung, Erdkabel und neue Wasserleitung in Eigenleistung, Material stellt die Stadt Leipzig kostenlos bereit. |
Der Besuchsverkehr in Deutschland entwickelte sich, leider hauptsächlich von West nach Ost. Wir freuten uns und organisierten alles, damit es dem Besuch gefiel. Die "Westler" konnten es sicher nicht ermessen, welche Mühe wir hatten, alles heranzuschaffen.
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Westbesuch zur Messe, September 1981, Freund
Hartmut mit Familie und Bärbel Preuß
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Anke, Holm und Karen im September 1981
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Meine hübsche Frau Christine, Juli 1983 |
Auch für diesen Lebens- und Arbeitsabschnitt, bis 1983 sollen wieder einige, für mich bemerkenswerte Menschen hier erwähnt werden.
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Heinz Schreiter (Spitzname Uhu) unser Gütekontrolleur und Original im Projektierungsbüro. Es ging praktisch keine Zeichnung `raus, die er nicht geprüft hatte - und er fand meist allerhand Fehler! diese Prüfinstanz gibt es heute nicht mehr, so sind auch die Zeichnungen, sie wimmeln von Fehlern. Ein intelligenter Mensch, der sich aber sehr linkisch bewegte. Ich habe ihn sehr gemocht und oft um Rat gefragt. Noch Weltkrieg-2-Teilnehmer, er lebt nicht mehr.
(Foto Archiv Heinrich Vater)
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Christine Schneider mit Rolf (Rolli) Padelt, Christine war Maschinenbauingenieurin und stammte aus Freiberg. Ich habe immer ihre präzisen Zeichnungen bewundert.
Sie war fleißig immer hilfsbereit und kollegial.
Auch sie lebt nicht mehr. |
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Rolf Padelt (Spitzname Rolli), von Haus aus Elektroingenieur war der Spezialist für mechanische und elektrische Aufgaben. Sein Vater hatte die Ofenbau-Firma Padelt gegründet. Rolfs Ausdrücke, Lebensgewohnheiten, seine Begeisterung für alte, solide Technik, eine gewisse Bequemlichkeit machten ihn auch zum Original, das man in seinem Leben nicht vergißt. Ich sage noch heute oft, Rolli hätte dazu so und so gesagt. Den zweiten Weltkrieg, einschließlich russischer Gefangenschaft, hat er voll auskosten dürfen. Er lebt auch nicht mehr.
(Foto Archiv Heinrich Vater) |
Dieter Förster, ein Kollege aus dem Projektierungsbüro
Industrieofenbau; sein Werdegang: Lithograph, Rangierer,
Technischer Zeichner, Teilkonstrukteur; Kettenraucher - im
Zeichnen, was Präzision und Geschwindigkeit anlangte,
konnte ihm niemand das Wasser reichen.
Er ist kurz nach der Wende gestorben, nachdem ihm noch
ein Raucherbein amputiert wurde. |
1983 wechselte ich innerhalb Leipzigs vom Konstruktionsbüro, seit 1980 in Leipzig-Stötteritz, zur Produktionsabteilung "Allgemeiner Feuerungsbau" in Böhlitz-Ehrenberg. mit diesem Wechsel war die Stellung als "Produktionsbereichsleiter" verbunden, mir unterstanden dann auch noch die Stützpunkte in Dresden und Erfurt, mit zusammen ca. 200 Mitarbeitern. Der Personalchef in Magdeburg, Kollege Söllig, (Kaderleiter) sagte damals, als er mir die Stelle anbot, Sie müssen nicht in die Partei eintreten und Ihren Vater dürfen Sie weiterhin im Westen besuchen. Da fiel mir die Entscheidung nicht schwer, zumal mein Gehalt damit auf 1.750 Mark brutto stieg. Übrigens, Kollege Söllig, ein überzeugter SED-Mann, war menschlich in Ordnung, nicht nur mir gegenüber.
Anzumerken wäre noch, daß die nunmehrigen Stützpunkte Böhlitz-Ehrenberg, Dresden und Erfurt früher selbständige, gut funktinierende Betriebe waren. Durch die Mittagsche Politik der Kombinatsbildung wurden alle Baubetriebe, die Spezialbauleistungen ausführten, dem Spezialbaukombinat Magdeburg angegliedert. Durch solche Maßnahmen wurde die DDR-Wirtschaft immer unflexibler!
Das Politbüro der SED war ideologisch vollkommen verblendet und objektiven volkswirtschaftlichen Überlegungen nicht zugänglich.
Wir wußten es besser, hatten wir doch noch die Zeit erlebt, als es in der DDR noch 10% Privatwirtschaft gab und zwischen einzelnen volkseigenen Betrieben (Beispiel: Spezialbau Leipzig/Spezialbau Magdeburg) bescheidener Wettbewerb stattfand.
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Jetzt hatte ich wieder Schornsteinbaustellen!
Hier ein kleines Exemplar (25 m) in Weißenfels |
Manche Schornsteine waren in so schlechtem Zustand, daß nur noch am Hubschrauber gesichert, jemand da oben arbeite konnte. |
Kleinere Reparaturen an einem Schornstein (Esse) hat der Bauleiter auch schon mal alleine erledigt.
Leipzig 1985 |
Am 23. Februar 1983 war ich dort
und habe der Dame zugehört.
In den Jahren nach 1983 durfte ich in jedem Jahr, mit meiner Schwester, im Februar, in den Westen fahren. Erst 1988 wurde es möglich, daß meine Frau Christine mitfahren durfte. Die Gastfreundschaft, die wir allem Westbesuch bei uns entgegenbrachten, wurde leider nicht von allen in gleichem Maße erwidert. Wir waren die Habenichtse aus dem Osten, die nun, völlig unerwartet, im Westen auftauchten. Die Wessis (wie wir heute sagen) hatten sich an die vielen Türken und anderen Ausländer im Land gewöhnt, aber die eigenen Landsleute (heute: Ossis) waren einigen nicht willkommen. Wie gesagt, einigen, Gott sei Dank nicht die Mehrzahl!
An eine nette Episode erinnere ich mich. Ich stand in Hamm/Hauptbahnhof auf dem Bahnsteig und wartete auf den Zug von Köln nach Leipzig (diese Züge hießen mal Interzonenzüge, später "Züge im innerdeutschen Verkehr"). Da kam ein etwas angeheiterter Mann auf mich zu und sagte: " Was willste denn da drüben, Menschenskind, bleib doch hier!" Dieses "Bleib doch hier" wiederholte er immer wieder mit etwas schwerer Zunge. Die Absicht, im Westen zu bleiben, hatte ich aber zu keiner Zeit. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die sich überall gleich zu Hause fühlen.
Die Porzellanöfen, die wir 1967-69 in Ungarn gebaut hatten mußten repariert und auf den neuesten Stand gebracht werden. Schön, daß die Ungarn da meinen Namen nannten. So war ich mehrmals ein paar Wochen in Hódmezövásárhely. Holm und Christine besuchten mich dort. Das Porzellanwerk war sehr großzügig und gastfreundlich und stellten das Quartier dafür kostenlos zur Verfügung. Übrigens war für die Inbetriebnahme auch wieder mein geschätzter Kollege Waldemar Beutler dort. Er hatte auch 1969 die Öfen hochgeheizt und den Leistungsnachweis gefahren. Eine weitere Unterstützung erhielt ich durch den Polier (DDR: Meister der volkseigenen Industrie) Werner Schulze. Werner bekam abends im Quartier einen Herzinfarkt, wurde ins örtliche Krankenhaus eingeliefert und starb kurze Zeit später dort. Wir haben mit ihm einen der besten Poliere unseres Betriebes verloren. In einer Zeit ohne Handy reiste seine Frau mit dem Zug zum Besuch an und wußte nicht, daß ihr Mann nicht mehr lebte!
In Ungarn war, trotz sozialistischem Bruderland, schon manches anders, als in der DDR. Ungarn legte mehr Wert auf reelle Preise und ein vernünftiges Kostendenken in den Betrieben. Das führte aber dann letztlich zu laufenden Preiserhöhungen, da die Produktivität nicht so schnell, wie gewünscht, stieg. Mein ungarischer Partner, Papp Mihály, hielt mit einem Kollegen 25 Schweine, da er nur mit diesem Nebeneinkommen die finanziellen Belastungen (Hausbau) bewältigen konnte. Man konnte in Ungarn alles kaufen, wenn man Geld hatte. Wir zählten im Csemege (Delikatessenladen) 15 Sorten Ölsardinen. Das war wohl im Ostblock einmalig! Daher der Name "Gulaschkommunismus". Die DDR ermöglichte ihren Ungarn Touristen nur einen beschränkten Geldumtausch, von dem man in Ungarn nicht leben konnte. So fuhren DDR-Bürger mit dem Kofferraum voller Lebensmittel nach Ungarn, um die Ausgaben für die teuren Lebensmittel wenigstens teilweise zu sparen. Zwar war offiziell in der DDR die Ostmark genau soviel wert, wie die Westmark, nicht aber in den sozialistischen Bruderländern! Für den Bundesbürger war Ungarn ein billiges Reiseland, für den DDR-Bürger ein sehr teures. Der Grund, der ungarische Forint war für die Westmark sehr viel billiger, als für die Ostmark, in Ungarn.
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Eine Aufnahme von 1978 mit unserer Wirtin von 1967/68, Julischka
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Das Nagy Alföld, die Große Ungarische Tiefebene,
eine Landschaft, die es mir angetan hat.
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Die Märkte in Ungarn waren für DDR-Bürger eine
Attraktion ersten Ranges.
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Unsere liebe Freundin Helene mit Enkeln,
Christine und Holm, 1984 |
Christine und Holm auf dem Markt in
Hódmezövásárhely |
Mutter ist 70 geworden, Zittau, 7. Mai 1984
Auch in den 1980er Jahren: Unser Sohn Holm besteht die Abiturprüfung und muß bald darauf zur Armee bzw. zur "Fahne". Vorher arbeitet er praktisch in unserem Betrieb in der Feuerungsmaurer-Brigade Dittrich mit. Klaus Dittrich, ein sehr guter Fachmann im Feuerungsbau, von ihm und seinen Leuten hat Holm viel gelernt, vor allem auch Lebensweisheiten. Damals gab es eine wohl in der Welt einmalige Einrichtung in der DDR: Gesetzblatt 35. Die Baukapazität, also das Gesamtvermögen der Volkswirtschaft, zu bauen, reichte in der DDR hinten und vorne nicht. So bestand offiziell die Möglichkeit, daß kleinere Bauaufgaben als Feierabendarbeit, also außerhalb der regulären Arbeitszeit, ausgeführt wurden. Die Auftraggeber rechneten mit den Bauleuten direkt ab, Steuern mußten auf diese Einkünfte nicht gezahlt werden. Ich verrate kein Geheimnis, auf dieser Basis wurden in der DDR Großprojekte verwirktlicht. Die Planwirtschaft hatte allerdings diese zusätzlichen Lohneinkünfte kaum berücksichtigt. Sie bedeuteten ja auch Kaufkraft. Deshalb auch waren in der DDR zuviel Geld und zu wenig Waren im ökonomischen Kreislauf.
Holm hat fleißig mitgemacht und zusätzliches Geld über Gesetzblatt 35 verdient. Einmal mußten sie bei einem kleinen Betrieb über den Zaun klettern, um an ihre "Feierabendarbeit" zu kommen. Es war am Wochenende und niemand vom Betrieb anwesend. Meistens klappte das aber besser.
Als Holm mal von der Brigade tüchtig ´rangenommen wurde, meinte ein Betriebsangehöriger des Auftraggebers: "Warum muß denn der Kollege Holm so viel machen?" Darauf die Brigade: "Der will mal Ingenieur werden, da kann er sich noch genug ausruhen!"
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Holms Vereidigung, 19. November 1984,
elfeinhalb Jahre nach der seines Vaters |
18 Monate ist nun die Mot-Schützen-Kaserne
in Hagenow/Mecklenburg sein Zuhause |
Wir waren zur Vereidigung dort, Übernachtung
in Schwerin bei den Eltern vom
Arbeitskollegen Roland Karnatz |
In den Jahren 1987 und 88 wurde die wirtschaftliche Lage im Ostblock immer deprimierender. Nicht, daß wir Not litten, aber es lief einfach nichts mehr richtig in der Wirtschaft und der technologische Rückstand zum Westen wurde immer größer.
1987 und 88 verbrachten wir im Juli/August jeweils 14 Tage Urlaub in Bad Landeck, im Glatzer Bergland. Wir waren ansonsten keine FDGB-Ferienplatz Interessenten. Es gab aber einen Ferienplatztausch unseres Betriebes mit einem polnischen Baubetrieb aus Beuthen/Oberschlesien mit einem Ferienheim im Glatzer Bergland.
Die Nähe zu meinem Geburtsort Wüstewaltersdorf war für uns interessant. Da wir mit unserem "Lada 1200" dort waren, konnten wir die alte Heimat ausgiebig erkunden. Wir mußten, am Beispiel Polens, feststellen, daß es im Sozialismus noch viel schlechter gehen kann, als in der DDR. Fleischerläden, in denen es nicht ein Gramm Fleisch oder Wurst gab, davor eine große Menschenmenge. Sie warteten auf das Fleischauto, als es nach ein paar Stunden nicht kam, ging man schimpfend nach Hause. Das war Polen in dieser Zeit!
Die polnischen Köchinen in unserem Ferienheim "Bytomianka" waren findig, Hefegebäck, Milch- und Mehlsuppen und viel Kartoffelvarianten schmeckten uns ausgezeichnet!
Am Begrüßungsabend im Ferienheim, hatten wir eine Flasche Schnaps auf den Tisch gestellt. Ich bot den polnischen Männern immer davon an. Die Nachfrage war aber sehr mäßig. Da sagte eine Polin, neben uns: "Alle fragen, nicht wollen, ich wollen, mich fragen nicht."
Wir Gäste aus der DDR hatten extra eine Dolmetscherin zur Verfügung, Margot Guminski, eine Deutsche aus Oberschlesien, die mit einem Polen verheiratet war. Sie war schon einmal in der Bundesrepublik, bei Verwandten gewesen. Ihr Kommentar: Da merkten wir erst, wie arm wir sind!
Dank ihrer Beharrlichkeit bekam ich auf dem Standesamt in Bad Charlottenbrunn eine Geburtsurkunde, in polnisch, ausgestellt. Sie ließ sie dann noch von einem vereidigten Dolmetscher übersetzen. Auch dank ihrer Beharrlichkeit durften wir in Waldenburg, im evangelischen Pfarramt, in den Kirchbüchern von Wüstewaltersdorf blättern und fotografieren..
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Die erste Seite des evangelischen Kirchbuches (Taufregister)
von Wüstewaltersdorf, 1741
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Mein Geburtsort Wüstewaltersdorf im Eulengebirge, in der
Bildmitte das Leuchtenberger Haus, mein Geburtshaus,
Aufnahme vom August 1988 |
Meine polnische Geburtsurkunde, die deutsche ging bei
der Vertreibung verloren. "Walim", der polnische Name für
Wüstewaltersdorf, war aber 1938 noch nicht erfunden worden. |
Die Verhältnisse in der DDR drifteten immer mehr in Richtung "Wende". Die Botschaftsbesetzungen in Warschau und Prag 1989, die Demonstrationen in Leipzig (ab 9. Oktober mit meiner Beteiligung) läuteten das Ende der DDR ein. Michail Gorbatschow kann nicht genug gedankt werden, daß alles friedlich blieb. Zu Breschnews Zeiten wäre das anders abgelaufen!
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Bauabnahme
In der DDR-Wirtschaft wurde die schlechte Situation durch ein beschönigendes Berichtswesen verbrämt. Aber, es wußten so ziemlich alle, was los war, vielleicht Honecker nicht.
Das Bild entstammt dem "Eulenspiegel", Ausgabe 4/1988, einer satirischen DDR-Zeitschrift, die oft schon recht deutlich wurde. |
Wir waren im Sommer 1989 noch einmal in Ungarn. Es war kurz bevor die Ungarn den Grenzzaun zu Österreich öffneten. Ich erinnere mich noch an die Bilder von zurückgelassenen Trabbis im Westfernsehen. Wir haben jedenfalls noch ein paar schöne Tage in Hódmezövásarhely erlebt und viel Zeit mit unseren Bekannten verbracht (heute nennt man ja "Bekannte" grundsätzlich "Freunde").
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Sommer 1989, Ungarn, v. l. Christine, Julischka
(unsere Wirtin von 1967), Jeff - der amerikanische
Freund mit Zsuzsi, Julischkas Enkelin |
Ein Bild vom Mai 1991, Zuzsi und Jeff heiraten;
links die Brautmutter, Magdi, rechts die
Brautgroßmutter, Julischka -
Zsuzsi geht mit nach Oregon, die Ehe hält aber
nicht lange. |
Christine mit den Enkeln-Töchtern von unserer
Freundin Helene Nemes-Nagy |
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Trotz Wohnungsnot, die Altbausubstanz verfällt
zunehmend. Jeder konnte es sehen, ein Indiz für
die wirtschaftliche Misere in der DDR!
Leipzig, Poechestraße 1984 |
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Die berühmte Demonstration der 70.000 am 9. Oktober 1989
in Leipzig. Die Staatsmacht griff nicht ein!
Bild: Bundeszentrale für polit. Bildung |
Wir hatten den Sozialismus, jedenfalls was die DDR- Führung
dafür ausgab, gründlich satt!
Bild: Bundeszentrale für polit. Bildung |
Auch hier will ich wieder Kollegen erwähnen, die meine Vorgesetzten waren bzw. mit denen ich gern zusammen gearbeitet habe. Leider fehlen einige Köpfe in meiner Bildersammlung. Ich hoffe, diese noch irgendwann zu ergänzen.
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Eberhard Hippe, Feuerunsmaurer-Brigadier beim Stützpunkt Dresden.
Ein integerer Fachmann, unleidlich, wenn die Arbeit nicht vorankommt. Es lohnte sich, seine Wesenszüge zu beschreiben, ein eigenes Thema! |
Roland Karnatz, Produktionsdirektor in Magdeburg, später Stützpunktleiter in Dresden (auf eigenen Wunsch). In der ersten Funktionb war er mein
Vorgesetzter, in der zweiten Funktion, war ich sein Vorgesetzter. Ein sympatischer Mecklenburger, ich habe ihn in guter Erinnerung auch seine
tschechische Frau Kristinka und seine Kinder. |
Waldemar Beutler, Keramikingenieur und hervorragender Fachmann. Er war Chef der Inbetriebnahmegruppe in Leipzig. Seine Hilfsbereitschaft und Kollegialität werde
ich nicht vergessen . An unsere gemeinsame Zeit in Ungarn, auch mit seiner Frau Renate, erinnern wir uns gern. Das Foto ist von 2007.
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Dietmar Doberenz, ganz rechts, Brigadier im Schornstein- und Feuerungsbau, Stützpunkt Böhlitz-Ehrenberg, bei Wind und Wetter auf dem Schornstein, bei Dreck und Gift im Feuerungsbau - er wäre mal fällig für das Bundesverdienstkreuz. Aber das bekommen ja kaum Menschen, die "nur" arbeiten und ihre Gesundheit dabei opfern (nicht durch Rauschgift oder andere Ausschweifungen, sondern bei der Arbeit). Wir haben dann, nach der Wende, bei der Firma Becker weiter zusammengearbeitet. |
Siegfried Hempel, Generaldirektor bis 1989,
er war auch mein erster Chef, als ich 1958
beim Spezialbau Leipzig anfing.
Seiner Entscheidung habe ich zu
verdanken, daß ich, trotz Vater im Westen,
die Aufgabe im Irak wahrnehmen durfte und das mit Familie. |
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Horst Beengard war Direktor für Arbeit und Bildung, ein echter Magdeburger und anständiger Mensch. Ich habe mit ihm zusammen ein Fachbuch für die Berufsausbildung geschrieben. Kurz vor der Drucklegung kam die Wende. |
Wilfried Peters, Betriebsdirektor des Kombinatsbetriebes Feuerungs- und Grundbau bis 1989 - ein ehrgeiziger, intelligenter
"Wirtschaftsfunktionär", der die Klaviatur der DDR zu nutzen verstand, um es zu dieser herausragenden Stellung zu bringen. |
Hans Przyborowski, Ostpreuße, Chef der Rechtsabteilung, neben dem exellenten Fachwissen verfügte er über eine gute Allgemeinbildung. Ich habe mich gern mit ihm unterhalten. |