Spitzkunnersdorf und die Musik
Die musikalische Begabung meiner väterlichen Vorfahren auch bei meiner Schwester und mir vermutend, schickte uns unsere
Mutter zum Klavierunterricht und kaufte von Ihrem schwer erarbeiteten
Geld ein gebrauchtes Tafelklavier (Stutzflügel). Über unseren
Klavierlehrer wäre ein gesondertes Buch zu füllen. Hier nur so viel:
Unser Klavierlehrer hieß Arthur Neumann wurde aus zwei Gründen aber
Urgel-Arthur genannt. Erstens hieß er Neumann, wie sehr viele im Dorf,
deshalb war ein Spitznamen erforderlich und zweitens spielte er in der
Kirche die Orgel (in Oberlausitzer Mundart "Urgel"), die eigentlich
übliche Bezeichnung Kantor, war in Spitzkunnersdorf nicht gebräuchlich.
Das waren aber beileibe nicht seine einzigen Professionen. Er war noch
Bauer, kassierte für das ganze Dorf die Kirchensteuer, leitet eine
Tanzkapelle (oder auch mehrere), begleitete mit seinen Musikern auch
die Chordarbietungen des sehr aktiven Spitzkunnersdorfer Volkschores
und vertrat auch schon mal den Pfarrer, auch bei Begräbnissen übernahm
er die musikalische Begleitung und schlußendlich beriet er Leute in
Grundstücksangelegenheiten. Bei den Operetten- und
Singspielaufführungen des Volkschores Spitzkunnersdorf fungierte Arthur
Neumann als musikalischer Leiter. Diese Aufführungen (siehe Fotos
unten) waren für die Verhältnisse eines kleinen Dorfes schon
außergewöhnlich. Es wurde ein Tradition fortgeführt, die schon in den
zwanziger Jahren mit Operettenaufführungen durch den Gesangverein in
Spitzkunnersdorf begonnen hatte. Die Theatertruppe führte Stücke sogar
in Nachbardörfern auf. Hier eine kurze Chronologie: Einakter, Singspiel
"Rosel vom Schwarzwald", Aufführung 25.12.1946; Operette "Mühle im
Schwarzwald", Aufführungen 25., 26., 28.12.1947 und 1., 17.,18.1. 1948
sowie 1.2.1948 mit einer Nachmittags und einer Abendvorstellung;
Singspiel "Heimatbrünnele", Aufführungen 25., 26.12.1948 und 1.,
16.1.1949; "In der Heimat wohnt das Glück", Text und Musik vom
Spitzkunnersdorfer, Horst Langer, Aufführungen Weihnachten 1949; "Die
Mühle im Schwarzwald", Wiederaufführung Weihnachten 1950; !951 gab es
keine Aufführung, da die Hauptdarstellerin, Gerda Michel, im Juni sehr
jung verstorben war; "Fischermädchen", Text und Musik auch wieder vom
Spitzkunnersdorfer Horst Langer wurde zu Weihnachten 1952 und 1953
aufgeführt, Gastspiele auch in Leutersdorf und Eibau. Den Gesangverein,
nach 1945 Volkschor, leitete Fritz Hahmann, der populäre Kaufmann aus
dem Oberdorf. Nach ihm hat mein Vater, Fritz Leistritz, diese Ehre auch
kurze Zeit gehabt. Meine Eltern ließen sich übrigens1949 scheiden. Das
war damals nicht so üblich, wie heute. Wir Kinder litten darunter
schon, zumal in einem Dorf, wie Spitzkunnersdorf, wo jeder jeden
kannte.
Die Klavierschüler waren nicht die einzigen beim
Urgl-Arthur, auch Trompete, Akkordeon, Geige wurden unterrichtet. Nicht
zu vergessen das Tenorhorn, das er virtuos beherrschte. Seine Tochter,
Christa, tritt in seine Fußtapfen. Schon 1950, fünfzehnjährig, spielt
sie am Klavier in der Kapelle ihres Vaters mit und ab 1962 erteilt sie
auch Unterricht an Musikinstrumenten. An manchen Feiertagen spielten
Mitglieder der Kapelle Neumann auf bis zu 6 Veranstaltungen
gleichzeitig.
Dankbar
und voller Respekt erinnere ich mich seiner. Beim Vorspielen konnte es
schon mal passieren, daß ihm die Augen zufielen. Aber, der erste
falsche Ton machte ihn sofort munter! Auch wenn die auf dem Klavier
schlafende Katze auf die Tasten sprang, beendete das sein Nickerchen.
Übrigens kostet die Unterrichtsstunde bei Ihm 2 Mark, auch noch Ende der fünfzige Jahre!
Ich habe überlegt, ob ich den folgenden Spruch, den im Dorf jeder
kannte, bringen soll. Er ist zwar sehr derb, aber eben treffend:
A d´r Wuche fährter Mist
An Sunntche isser Urganist.
Mein Vater, der in seiner Kapelle, am Klavier, mitwirkte, nannte ihn
"einen außergewöhnlichen Menschen", auch "ein Original". Arthur Neumann
starb 1985, im 89. Lebensjahr. Seine Frau, Elsa geborene Michel,
überlebte ihn vier Jahre und starb 1989.