Alltag und Sport
In
Spitzkunnersdorf wurden nicht nur Singspiele und Operetten aufgeführt,
es gab auch einen Turnverein, von dem ich weiter oben schon berichtet
habe und, vor allem, eine Fußballmannschaft. In ihr spielten Männer
mit, die der Mannschaft schon vor 1945 angehörten und nach Krieg und
Gefangenschaft sich wieder eingliederten, z. B. Heinz Hoferichter. Die
Farben waren rotes Hemd und schwarze Hose. Da die Frauen der Spieler
auch das Waschen der Fußballkleidung übernahmen sah man immer mal eine
Wäscheleine mit schwarzen Turnhosen und roten Hemden. Später nannte
sich die Mannschaft "Fortschritt Spitzkunnersdorf", das "Fortschritt"
galt für alle Mannschaften in der DDR, deren Trägerbetrieb
(Unterstützer) ein Textilbetrieb war.
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Fußballmannschaft von Spitzkunnersdorf
Aufnahme ist zwischen 1948 und 1953 entstanden. Obere Reihe, von links,
Friedrich Steudtner, Schiedsrichter, Vorsitzender der Sektion Fußball -
Vater meiner Mitschülerin Isolde Steudtner; Walter Röthig; Herbert
Runge - er hat sich auch bei den Theateraufführungen des Gesangvereines
als Tenor einen Namen gemacht; Brüder Willi und Heinz Hoferichter
(Mitelläufer und Mittelstürmer); Helmut Clemens; Heinz Kunze (Fips);
Kurt Flammiger, Jahrgang 1912; Walter Streubel; Karl Großer; Untere
Reihe, von links: Jupp Novotny; Heinz Freund; (?) |
Die Mannschaft etwas später, aber auch im Zeitraum 1948-53
aufgenommen. Obere Reihe, von links,
Friedrich Steudtner; Walter Streubel; Erich Gautsch; Erhard Müller;
Jupp Novotny; Heinz Hoferichter; Helmut Clemens;
Kurt Flammiger; Walter Arlt, Onkel meines Mitschülers Manfred Arlt,
er spielte Verteidiger; Karl Großer;
Untere Reihe, von links. Heinz Kunze (Fips); Hans Schiller; Werner Priebsch.
Auch damals schon wurden gute Spieler von finanziell stärkeren
Nachbargemeinden abgeworben (Willi Hoferichter nach Leutersdorf). |
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Die erfolgreiche Nachwuchsmannschaft, A-Jugend, Mitter der 1950er Jahre, Oben von links.
Rolf Usadel (Betreuer), Johannes Gersdorf, Lothar Priebsch, Werner Bernhard, Klaus Langer, Joachim Franke;
Mittlere Reihe, von links: Jürgen Wollmann, Manfred Arlt, Peter Seeliger;
Untere Reihe von links: Wolfgang Schulzensohn, Klaus Priebsch, Walter Wartzek |
Zu den Arbeiten in der Landwirtschaft, die wir Kinder gern
verrichteten, gehört wohl "Kühe hüten" an die erste Stelle. Am
wenigsten gern halfen wir beim Getreide- und Kartoffelernten oder
Getreidedreschen. Heutzutage wird ja das Getreide durch Mähdrescher
gleich beim Mähen mit ausgedroschen. Damals kam das Getreide, nach dem Trocknen in Puppen, erst
einmal in die Scheune und wurde dann, wenn die letzten Feldarbeiten
erledigt waren, gedroschen, ganz früher mit Dreschflegel, bei uns mit
der, in die Scheune eingebauten elektrischen Dreschmaschine. Wir mußten
dann immer die Garben auf der Dreschbühne zugeben. Das Heimtückische
daran war, daß Großvater darauf bestand, die Garbe immer am Bindeknoten
durchzuschneiden, den man erst einmal suchen mußte.
Ich bin heute noch stolz, daß ich damals auch gelernt habe, mit der
Sense Gras, Klee, Luzerne oder Getreide zu mähen. Auch Kühe melken
gehört zu meinen, in Spitzkunnersdorf erlernten landwirtschaftlichen
Fertigkeiten.
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Was gäbe ich dafür, heute noch einmal mit Großvater, früh um fünf Uhr
Luzerne für die Kühe zu holen und abends eine Runde Dame zu spielen und
ihn dabei über sein Leben auszufragen. Das Brettspiel liebte er
besonders. Als er sich dann ein Radio leistete, hörte er jeden Abend
die "Berichte", wie er es nannte. DDR-Sender wurden nicht
eingeschaltet. Sein Sender war der RIAS, der aber zu dieser Zeit
beliebtestes Ziel von DDR-Störsendern war. Der Genuß am Hören war
dadurch stark eingeschränkt und die
Wut auf die Kommunisten nahm noch zu. Ich höre in der Erinnerung immer
noch: "Hier ist RIAS Berlin, eine freie Stimme der freien Welt". Bei
Beginn der Störgeräusche war Großvatels Standardschimpfwort
"Lumpenpack" fällig.
Es gab noch kein Fernsehen und trotzdem
herrschte keine Langeweile. So gab es ja auch immer zu tun. Im Winter
versammelten sich die weiblichen Familienmitglieder und auch solche aus
der Nachbarschaft zum Federnschleißen. Da wurden die Dorfereignisse
diskutiert, nur Niesen durfte niemand. Auch Stricken war weit
verbreitet und wenn die Strümpfe Löcher hatten, wurden sie gestopft,
waren die Löcher sehr groß, schloß man sie durch Zustricken. Das war
alles vor der "Wegwerfgesellschaft".
Wegen ausreichender körperlicher Bewegung brauchte man auch kein
Fitness Studio, um sein Gewicht zu halten, wenngleich ein gewisser
Ausgleich durch Sport sehr beliebt war.
Wenn Bauernversammlungen waren, wartete Großmuttel immer sehr
beunruhigt zu Hause. Großvatel nahm bei seinen Meinungsäußerungen kein
Blatt vor den Mund. Es war ja die Zeit, wo Leute einfach abgeholt
wurden und manchmal sah man sie nicht wieder.
Unsere Schulzeit näherte sich dem Ende. Die acht Schuljahre (bei
mir ja nur 6) waren vergangenn. Der "Ernst des Lebens" stand vor uns.
Bekannte sagten plötzlich schon mal "Sie" zu uns.
Einen Ehrenplatz auf dieser Seite hat mein heißgeliebter Fotoapparat,
meine "Box" verdient (Foto rechts). Ich habe sie von meinem Freund
Hans-Jürgen Pohl zum Geburtstag bekommen und war der glücklichste
Mensch auf Erden. Wer hatte schon als "Umsiedler" einen Fotoapparat?
Alle Fotos bis 1954, die ich aufgenommen hatte, sind mit der Box
gemacht worden. Eine "Box" ist ja jetzt durch den neuesten Roman von
Günter Grass zu Berühmtheit gelangt.
1954 kaufte ich mir von meinem ersparten Lehrlingsgeld eine
Kleinbildkamera "Beltica" für 240 Mark. Sie hat mir dann bis 1969
zuverlässig gedient und wude abgelöst durch eine Practika, mit der ich
dann noch bis Ender der 1990er Jahre fotografierte. Jetzt ist natürlich
das digitale Zeitalter angebrochen und das Fotografieren geschieht
digital.
Von links Manfred Bernd, Klaus Lehmann und Günter Bernhard
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Die atheistische Jugendweihe war damals noch nicht eingeführt worden,
so besuchten alle Mitschüler, mit Ausnahme einer katholischen
Mitschülerin, den evangelischen Religionsunterricht in der alten
Kirchschule (steht heute nicht mehr) bei Pfarrer Haltenort. Leider hat
Herr Haltenort mehr Wert auf das Auswendiglernen von Gesangbuchversen
gelegt und weniger Religionsgeschichte gelehrt. Letztere wurde uns ja
in der Schule überhaupt nicht beigebracht. Dabei gehört sie doch zur
Allgemeinbildung. Wer will, ohne Kenntnisse der Religionsgeschichte z.
B. die Gemälde der alten Meister verstehen? Der Religions- bzw.
Konfirmationsunterricht wurde vor der Konfirmation mit einer Prüfung in
der Kirche abgeschlossen. Wir mußten Fragen von Pfarrer Haltenort, vor den Kirchbesuchern,
beantworten. Natürlich hatten alle bestanden. Das Konfirmationsbild
wurde von einem Fotografen aus Seifhennersdorf (Kaspar?) gemacht. Diese
Veranstaltung war recht heiter. Er kam mit einem alten Plattenapparat
und kroch unter ein schwarzes Tuch, was ihm aber dank einer
spiegelglatten Glatze immer wieder herunterrutschte. Als dann endlich
alles eingestellt war, holte er ein altertümliches Blitzgerät, noch
richtig mit einer großen Menge Pulver, hervor und brachte es mit einem
Feuerzeug zur Explosion. Die ganze Kirche war nachdem voller Qualm. Die
Qualität des Bildes ist entsprechend, der Spitzkunnersdorfer Fotograf
Walter Streubel, der Fußballer, hätte es vielleicht besser gebracht!?
Neun Mitkonfirmanden von dem Foto sind heute, November 2011, nicht mehr
am Leben, drei Mädchen und sechs Jungen: Christa Meinschel, Rosemarie
Hartmann, Günter Eiselt, Christian Wittig, Herbert Fischer,
Karl-Heinz Leder, Joachim Neumann, Ingeburg Engemann und mein Freund Hans-Jürgen Pohl.
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Meine Schulklasse, 8. Schuljahr, v. u. l. Waltraud Wagner, Christine Leder, Eva Dittrich, Inge Tannert,
Annegret Wollmann, Brigitte Seiler, Annemarie Lubas, Isolde Steudtner, Ingeburg Engemann,
Werner Schlegel, Karl-Heinz Leder, Günter Großer, Herbert
Fischer, Johannes Gersdorf, Wolfgang Leistritz, Günter Eiselt,
Hans Reichel, Hans-Jürgen Pohl, Manfred Arlt, Günter Hauptmann, Klaus Priebsch, Joachim Neumann,
Wolfgang Schulzensohn, Wolfgang Habenicht, Christian Wittich, Günter
Bernhard, Georg Köhler (Lehrer), Erhard Hille
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Meine Schulklasse, 40 Jahre nach der Schulentlassung, 1992,
natürlich nicht komplett, v. u. l.
Waltraud Wagner, Annegret Wollmann, Annemarie Lubas,
Isolde Steudtner, Eva Dittrich, Brigitte Seiler, Gisela Donath,
Christa Meinschel, Helga Büttner, Wolfgang Habenicht, Klaus Priebsch,
Horst Reichel, Werner Bernhard, Wolfgang Leistritz,
Günter Bernhard, Erhard Hille
Vor der Schule in Spitzkunnersdorf |
55 Jahre nach der Schulentlassung, 2007,
auch nicht komplett (7 Mitschüler leben nicht mehr), v. u. l.
Annemarie Lubas, Manfred Arlt, Isolde Steudtner, Gisela Donath,
Wolfgang Leistritz, Werner Bernhard, Helga Büttner,
Brigitte Seiler, Annegret Wollmann, Horst Reichel,
Waltraud Wagner, Joachim Franke,
Elfriede Fritzenwanker (unsere Russischlehrerin)
Vor dem Gasthaus "Jägerstube" (Oberschänke) in Spitzkunnersdorf |
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Nun etwas größer, Klassentreffen, 60 Jahre nach der Schulentlassung, im September 2012, mit elf wackeren Teilnehmern, 9 Mitschüler gibt es schon nicht mehr. Selber Ort, wie oben rechts, der Gasthof heißt aber inzwischen "Wilder Hirsch".
Die Stufe ist nach 5 Jahren immer noch nicht repariert!
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Nun wieder in der richtigen Chronologie weiter:
1952
starb Onkel Hermann, 1954 Tante Lina. Ihr verdanke ich sehr viele
Erinerungsstücke, da sie alles aufhob. Insbesondere Ansichtskarten
waren für mich, auch damals schon interessant und wertvoll. Ich habe
sie bis heute aufbewahrt. Unsere Erinnerungsstücke sind in Schlesien
geblieben und entweder auf dem Müll gelandet oder sie werden heute im
Internet angeboten.
In dieser Zeit wurde noch zu Hause gestorben.
Die Einweisung in das Krankenhaus war nicht selbstverständlich. Als
Tante Lina dann schwer krank war, kam immer mal Doktor Munde aus
Leutersdorf mit seinem DKW-Zweisitzer auf unseren Hof gefahren. Da
wurde das Auto von uns Kindern natürlich von allen Seiten betrachtet.
Auch der Büssing-Lkw von der Mauermann-Mühle Zittau war für uns Jungen
sehr interessant, er brachte dem Köhler-Bäcker in unserer Dorfstraße
immer das Mehl.
Zu dieser Zeit wurden alle Toten im offenen Sarg in der kleinen
Leichenhalle auf dem Friedhof aufgebahrt und am Tage der Beerdigung
nahmen die Angehörigen Abschied, wobei man die Verstorbenen berührte,
die Hände oder das Gesicht. Das Zurechtmachen der Toten übernahm die
Heimbürgin, manche sagten auch Leichenwäscherin. Ich glaube, sie war
bei der Gemeinde angestellt. Da ich auf meinem Schulweg am Friedhof
vorüber kam, sah ich am Beerdigungstag von der Straße aus, die
aufgebahrten Toten, links und rechts vom Sarg waren Kerzen
aufgestellt und die Tür war geöffnet.
Meine Großeltern hatten von Onkel Hermann und Tante Lina zwei Besucher
"geerbt". Es waren Herr Frieden und Fräulein Römer. Sie kamen einmal im
Monat von Neugersdorf auf Besuch (wahrscheinlich mit der Bahn bis
Leutersdorf und dann zu Fuß). Ihnen wurde Malzkaffee und ein Berg
Butterschnitten vorgesetzt. Welche Beziehungen zu den beiden einst
bestanden, habe ich nie herausbekommen. Herr Frieden, ein großer,
hagerer Herr mit Staubmantel und Stehkragen, Fräulein Römer, seine
Haushälterin war eine fröhliche Dame, mit rotem Gesicht und gutem Appetit. Die beiden
hätten in einem Film mit interessanten Charakteren mitwirken können.
Von einem Spitzkunnersdorfer Original will ich noch berichten, der
"Affen-Dora", Frau Dora Guhlich. Wie andere Menschen einen Hund, eine
Katze oder einen Kanarienvogel als Haustier hielten, besaß sie einen
Rhesus-Affen. Im Dorf der Spitznamen, war sie natürlich die
"Affendora". Ich erinnere mich nur, daß sie mit ihrem Haustier oft am
"Schwarzen Teich", unserem geliebten, romantischen Badeteich war. Im
Mai, wenn es Maikäfer gab (manchmal massenhaft, so, daß Bäumen
sämtliche Blätter abgefressen wurden) haben wir dem Affen Maikäfer
gegeben. Er riß den armen Insekten die Beine und die Flügelschalen ab
und verspeiste den Rest. Wie überliefert ist, wurde der Affe auch zur Hausarbeit
herangezogen. Besucher fanden ihn, auf dem Tisch sitzend und in einem
Topf rührend, wobei er das Kosten nicht vergaß.
Zum "Schwarzen Teich" noch einpaar Sätze. Er lag im Ortsteil
Wiesenthal, grob gesagt, zwischen Hofeberg und Oderwitzer Spitzeberg,
der "Badesee" der Spitzkunnersdorfer.
Ich habe dort das Schwimmen gelernt, sicher viele Spitzkunnersdorfer
ebenfalls (ohne Schwimmlehrer und Rettungsschwimmer). Es gab einen
seichten Bereich, für Kleinkinder und Nichtschwimmer und einen tiefen
Bereich, am "Ständer" und den "Stufen". Außerdem gab es ein Moor, wo
man immer stehen konnte und nicht versank, aber herrliche
Schlammschlachten austragen konnte. War man genügend mit Schlamm voll,
ging man in`s Wasser und man war wieder sauber. Mein
Großonkel Hermann Neumann, genannt der "kleene Hermann" oder im
Dorf "Pfeifen-Neum", war auch ein begeisterter Nutzer des Schwarzen
Teiches und war einer der ersten im Frühjahr, man sagte, schon im März
schwamm er manchmal eine Runde, auch noch im hohen Alter. Die
nebenstehende Aufnahme, von mir am "Ständer" ist 2004 entstanden.
Einer meiner Spiel- und Schulkameraden war Siegfried Kretschmer. Seine
Familie hatte einen Bauernhof und der Vater hatte zusätzlich das Amt
des Glöckners inne. Siegfried war ein kräftiger Junge und wenn der
Vater draußen auf dem Feld schlecht wegkonnte, so übernahm der Sohn das
Mittags- oder Feierabendläuten. Da durfte ich mit auf den Kirchturm.
Die Glocken wurden damals von Hand geläutet. Siegfried hat übrigens ein
Jahr nach mir eine Zimmermannslehre beim Kreisbau Zittau begonnen.
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